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2023-04-13

Innovationsmanagement aus Sicht des Aufsichtsrats / Beirats (Teil 1)

1.  Innovationszeitalter
Zur Zeit wird in Deutschland viel darüber diskutiert, wie Aufsichts- und Beiräte die ihnen übertragene Rolle richtig wahrnehmen und ihrer Aufsichtspflicht nachkommen. So hat etwa der Fall Wirecard einige grundlegende Probleme hinsichtlich der Unabhängigkeit und Kompetenz deutscher Aufsichtsräte sichtbar gemacht. Aufsichtsräte haben sich mit einer großen Bandbreite von Themen auseinander zu setzen. Der Fokus liegt meistens zurecht auf finanziellen und Compliance-Fragen. Ein Thema wird dabei leider oft stiefmütterlich behandelt: Innovation.

Denn wir leben ohne Frage in einer Zeit, in der technische Innovationen – vor allem im digitalen Bereich – unsere Gesellschaft wie auch unsere Unternehmen auf dramatische Weise verändern. Das ist einerseits extrem spannend, aber es verursacht gleichzeitig auch große Schockwellen – sowohl wirtschaftlich als auch politisch und gesellschaftlich. Google hat mit der Entwicklung seines Suchalgorithmus den ganzen E-Commerce erst ermöglicht. Facebook und andere Soziale Medien haben das Entstehen des Arabischen Frühlings maßgeblich beeinflusst. Und ohne Mobilfunk brauchten wir gar nicht an autonomes Fahren, aber auch nicht an viele Anwendungen in der Robotik zu denken!

Damit ist auch sofort klar, warum das Thema Innovation nicht nur cool ist, sondern auch für die Gremienarbeit relevant: Innovation bietet einerseits strategische Chancen, andererseits bringt sie aber auch wirtschaftliche bis existenzielle Risiken mit sich.

Unter Innovation verstehen wir für gewöhnlich die Entwicklung von neuen Ideen oder Technologien. Aus wirtschaftlicher Sicht spricht man nur von Innovation, wenn diese neuen Ideen oder Technologien auch in neue Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren umgesetzt werden. Ein feiner Unterschied, der innerhalb der Unternehmen bei aller Begeisterung für Neues manchmal übersehen wird.

Wie tief sollte man sich als Mitglied eines Gremiums in diese Themen – und hier insbesondere in die digitale Welt – einarbeiten? Es lohnt sich schon, etwas besser darüber Bescheid zu wissen, was hinter den vielen Buzzwords wie Chat GPT, Roboter, Internet of Things, Data Driven Marketing, Machine Learning oder Artifical Intelligence steckt. Und sich auch mit den Herausforderungen – wie etwa Bandbreite, Datenschutz, Cyberkriminalität, Qualität von Algorithmen – auseinander zu setzen, die mit diesen Technologietrends auf einmal in den Vordergrund rücken. Das ist deshalb schon wichtig, um Chancen und Risiken etwas realistischer einstufen zu können. Man wird dabei schnell feststellen, dass Artifical Intelligence nichts mit menschlicher Intelligenz, sondern nur mit smarter Prozessoptimierung auf Grundlage von Rechenmodellen zu tun hat. Und dass Bandbreite weniger mit den Responsezeiten der Rechner zu tun hat als damit, dass die mobilen Nutzer ihren Webshop nicht vorzeitig verlassen.

Innovation hat auf allen Ebenen im Unternehmen Auswirkungen – von der Strategie bis zu den operativen und unterstützenden Prozessen. In den nächsten Beiträgen möchte ich Sie gerne durch die für die Gremienarbeit relevanten Themen führen.

2. Digitale Innovation und Strategie
Neue Geschäftsmodelle, die aus der rasanten technologischen Entwicklung hervorgehen, müssen sich gar nicht immer auf spitzentechnologischen Innovationen basieren: Aboalarm etwa wurde im Jahr 2008 gegründet, um Verbraucher schnell, einfach und rechtssicher dabei zu helfen, ihre Verträge zu kündigen. Eine einfache App, eine Reihe von Druckern (die meisten Kündigungen brauchen in Deutschland noch immer die Schriftform) und klare Absprachen mit vielen Unternehmen waren die Grundlage für ein erfolgreiches Unternehmen, das neun Jahre später an Verivox verkauft wurde.

Gerade in den Märkten, wo der Impact der digitalen Innovationen nicht so evident ist, braucht ein Unternehmen ein gutes Gespür für relevante Entwicklungen. Was in der Automobilindustrie, im Einzelhandel oder auch für Medienunternehmen offensichtlich ist, muss vor allem in B2B nicht immer sofort sichtbar sein.  Sprachsteuerung etwa ist nicht nur für Apple (Siri) und Amazon (Alexa) wirtschaftlich sehr wichtig, sondern auch für die Hersteller von professionellen Kopfhörern, Aufzügen und medizinischen Systemen. Unternehmen sollten technologischen Innovationen heutzutage ständig Beachtung schenken. Innovationslabs sind dabei vielleicht eher für die größeren Unternehmen geeignet. Ein ständiger und offener Austausch mit der Außenwelt – und nicht nur in den eigenen Markt – sollte dennoch prozessual in jedem Unternehmen sichergestellt werden. Auch bei der Zusammensetzung der Aufsichtsgremien sollte die Chance wahrgenommen werden, den offenen Blick nach draußen zu vergrößern, indem auch Mitglieder berufen werden, die Erfahrungen aus anderen Marktbereichen und Technologien mitbringen.

Die Ergebnisse der strukturierten Beobachtung technologischer Innovationen sollten in einen regelmäßigen Strategieprozess einfließen. In einem Unternehmen haben wir dazu auf Grundlage des Blue Ocean-Ansatzes einen jährlichen Business-Blueprint entwickelt. Damit ist nicht nur sichergestellt, dass technologische Entwicklungen auch auf Relevanz und strategische Chancen beurteilt werden, sondern auch, dass die Geschäftsleitung nicht zwischenzeitlich hinter jedem neuen Trend herläuft.

Ein regelmäßiger Innovationscheck ist sicher auch dann notwendig, wenn man sich schon im Wandel befindet. Während die großen Automotive-Unternehmen in Deutschland ihre – übrigens sehr unterschiedliche – e-Strategie vorantreiben, kommen neue Player auf den Markt, die e-Fahrzeuge mit Solarzellen und bidirektionalen Ladegeräten entwickeln und damit komplett neue Marktsegmente betreten.

BOARD-TIPP

Lassen Sie sich informieren, wie das Unternehmen die Beobachtung von innovativen Entwicklungen organisiert, und wie die Erkenntnisse im Strategieprozesse einfließen.
Lassen Sie sich bei der Strategieentwicklung beeinflussen und inspirieren von Innovationen außerhalb Ihres eigenen Markts, planen Sie dazu einen Austausch mit anderen Unternehmen, Wissenschaftlern und Innovatoren ein.
Berücksichtigen Sie bei Auswahl von Gremienmitgliedern auch, inwieweit die Kandidaten Kenntnisse aus innovativen Wirtschaftsbereichen und Unternehmen mitbringen.

Admin - 15:42:24 @ Allgemein